KI-Regulierung Schweiz: Europarats-Konvention statt EU-Recht
Die Schweiz geht bei der Regulierung von künstlicher Intelligenz einen eigenständigen Weg. Das Thema der KI-Regulierung ist derzeit ein zentrales Thema der politischen und rechtlichen Diskussion in der Schweiz. Mit der Entscheidung vom 12. Februar 2025 hat der Bundesrat die Weichen für die zukünftige KI-Regulierung gestellt und sich bewusst gegen eine vollständige Übernahme des EU AI Acts entschieden. Stattdessen setzt die Schweiz auf die KI-Konvention des Europarats als Grundlage für ihre regulatorischen Massnahmen.
Dieser Ansatz verspricht eine Balance zwischen Innovationsförderung und Grundrechtsschutz, bringt aber auch erhebliche Herausforderungen mit sich – insbesondere im Hinblick auf die enge wirtschaftliche Verflechtung mit dem EU-Markt. Im Kontext internationaler Entwicklungen und Standards berücksichtigt die Schweiz dabei sowohl europäische als auch globale Rahmenbedingungen, um ihre Position im internationalen Wettbewerb zu stärken.
Die Regulierung von KI findet auf verschiedenen Ebenen statt: international, national und sektorbezogen. Der Europarat spielt mit seiner KI-Konvention eine wichtige Rolle bei der Entwicklung verbindlicher Vorgaben für jedes Land, wobei die Schweiz als Mitglied ein minimalistisches Umsetzungsmodell anstrebt. Im Vergleich dazu verfolgt die EU mit dem AI Act einen umfassenderen Ansatz, während die USA eine eher unternehmensfreundliche und deregulierte Haltung einnehmen. Weltweit unterscheiden sich die regulatorischen Strategien erheblich, was zu unterschiedlichen Standards und Herausforderungen im internationalen Handel und bei der Konformitätsbewertung zwischen den Ländern führt.
Aktueller Stand der KI-Regulierung in der Schweiz
Der Bundesrat veröffentlichte am 12. Februar 2025 eine umfassende Auslegeordnung zur KI-Regulierung, die den strategischen Rahmen für den Umgang mit künstlicher Intelligenz in der Schweiz definiert. Der Bericht des Bundesrats bildet die Basis für die Entwicklung der regulatorischen Ansätze und dient als Grundlage für weitere politische Entscheidungen. Diese Analyse zeigt deutlich: Die Schweiz verfolgt einen eigenständigen Regulierungsansatz, der sich primär auf die KI-Konvention des Europarats stützt.
Der bewusste Verzicht auf die Übernahme des EU AI Acts zugunsten einer flexibleren Lösung basiert auf drei zentralen Zielen:
Stärkung des Innovationsstandorts Schweiz durch technologieoffene Regulierung
Wahrung des Grundrechtsschutzes inklusive der Wirtschaftsfreiheit
Aufbau von Vertrauen in der Bevölkerung gegenüber KI-Anwendungen
Eine zentrale Frage im Regulierungsprozess ist die Anbindung an internationale Normen wie den EU AI-Act sowie die Klärung offener Fragen bezüglich der konkreten Ausgestaltung und Umsetzung der Regulierung.
Bislang existiert in der Schweiz kein spezifisches KI-Gesetz. Die Regulierung von KI erfolgt über bestehende sektorielle Bestimmungen und übergeordnete Rechtsgrundlagen wie das Datenschutzgesetz. Diese Lücke soll nun durch gezielte Anpassungen geschlossen werden, ohne ein starres Gesamtsystem zu etablieren. Dabei werden verschiedene regulatorische Ansätze und Ansätzen sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene diskutiert und verglichen.
Bundesrats-Entscheid zur KI-Konvention des Europarats
Die Ratifizierung der KI-Konvention des Europarats bildet das Fundament der schweizerischen KI-Regulierung. Nach der Ratifizierung kommt dem Bund eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der Konvention zu, wobei insbesondere die Bundesstellen für die Einhaltung und Überwachung der regulatorischen Vorgaben verantwortlich sind. Anders als beim EU-Ansatz setzt die Schweiz auf sektorspezifische Anpassungen bestehender Gesetze statt auf ein umfassendes KI-Gesetz.
Zudem wird deutlich, dass eine spezifische Gesetzgebung für KI sowie die Anpassung bestehender Gesetze notwendig sind, um den aktuellen und künftigen Herausforderungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz gerecht zu werden.
Das Regulierungsmodell basiert auf einer durchdachten Kombination aus verbindlichen und unverbindlichen Massnahmen:
Verbindliche Regelungen umfassen:
Transparenzanforderungen für KI-Systeme
Datenschutz, Nichtdiskriminierung und Aufsicht
Sektorspezifische Sicherheitsstandards
Dabei ist die Wahrung von Rechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bei der Regulierung von KI von zentraler Bedeutung, um die Grundwerte und Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger zu schützen.
Im Bereich der sektorspezifischen Standards ist zu beachten, dass sich die Anforderungen im öffentlichen und privaten Sektor unterscheiden und die Auswirkungen von KI-Anwendungen auf Menschen jeweils unterschiedlich ausfallen können.
Unverbindliche Massnahmen fördern:
Best Practices in der Entwicklung
Freiwillige Selbstregulierung der Wirtschaft
Internationale Kooperation bei Standards
Die Folgen der Regulierung betreffen nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Öffentlichkeit, weshalb die Einbindung der Öffentlichkeit in den Diskussionsprozess besonders wichtig ist.
Am Ende stehen Vorschläge für neue gesetzliche Massnahmen, die eine rechtliche Abrechnung (Rechnung, KI Rechnung) ermöglichen und die Weiterentwicklung der Regulierung vorantreiben.
Rolle des Bundesamts für Kommunikation in der KI-Regulierung
Das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) nimmt eine Schlüsselrolle bei der Regulierung von künstlicher Intelligenz in der Schweiz ein. Bereits im November 2023 hat der Bundesrat das BAKOM beauftragt, eine umfassende Auslegeordnung zur Regulierung von KI zu erstellen. Diese Auslegeordnung bildet die analytische Grundlage für die zukünftige Ausgestaltung der Regulierung von KI und dient als strategischer Leitfaden für die Bundesverwaltung.
Im Zentrum der Arbeit des BAKOM steht die sorgfältige Analyse der aktuellen Rechtslage im Bereich künstlicher Intelligenz. Das Bundesamt identifiziert regulatorische Lücken, bewertet bestehende Gesetze und entwickelt Vorschläge für gezielte Anpassungen. Dabei arbeitet das BAKOM eng mit anderen Bundesämtern und Departementen zusammen, um eine kohärente und zukunftsorientierte Regulierung von KI sicherzustellen.
Die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Entwicklung und Anwendung von Intelligenz KI sind vielfältig: Sie reichen von Fragen des Datenschutzes über ethische Aspekte bis hin zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz. Durch seine koordinierende Funktion trägt das BAKOM entscheidend dazu bei, dass die Regulierung von künstlicher Intelligenz in der Schweiz nicht nur den aktuellen Anforderungen gerecht wird, sondern auch flexibel auf zukünftige Entwicklungen reagieren kann. Die kontinuierlichen Analysen und Empfehlungen des BAKOM stärken die Position der Schweiz als innovativen und verantwortungsvollen Standort für KI-Technologien.
Drei Basisanalysen als Entscheidungsgrundlage
Der Bundesrat stützte seine Entscheidung auf drei fundierte Analysen, die verschiedene Aspekte der KI-Regulierung beleuchteten. Diese Analysen bildeten die Basis für die Entscheidung des Bundesrats und dienten als fundamentale Grundlage für die Entwicklung eines geeigneten Regulierungsansatzes.
Rechtliche Analyse
Die rechtliche Analyse untersuchte die Überschneidungen zwischen der KI-Konvention des Europarats, dem EU AI Act und dem bestehenden Schweizer Recht. Das Ergebnis zeigt: Die meisten Vorgaben der KI-Konvention sind durch das bestehende Schweizer Recht bereits “relativ gut abgedeckt”.
Dennoch wurde spezifischer Handlungsbedarf in den Bereichen Transparenz, Haftung und Grundrechtsschutz identifiziert. Besonders der bestehende Artikel 21 im Datenschutzgesetz zum Schutz vor automatisierten Einzelentscheidungen gilt als unzureichend für die vielfältigen Risiken moderner KI-Systeme.
Sektorielle Analyse
Die sektorielle Analyse prüfte geplante Änderungen im Bundesrecht verschiedener Bereiche wie Gesundheit, Verkehr und Bildung. Ziel ist es, passgenaue Regulierungslücken zu schliessen, ohne innovative KI-Technologien unnötig zu behindern.
Dieser Ansatz ermöglicht es, die spezifischen Anforderungen verschiedener Sektoren zu berücksichtigen und massgeschneiderte Lösungen zu entwickeln.
Länderanalyse
Im Vergleich mit 20 anderen Ländern positioniert sich die Schweiz zwischen den regulatorischen Extremen. Dabei zeigt sich, dass die internationale Zusammenarbeit und die Abstimmung zwischen den Ländern eine besondere Herausforderung darstellen, da verschiedene Länder – wie die EU, die USA und andere – unterschiedliche Regulierungsniveaus und Strategien verfolgen. Die Analyse verdeutlichte die unterschiedlichen Herangehensweisen bei:
Sektoraler Umsetzung von KI-Regulierungen
Haftungsregeln für KI-bedingte Schäden
Grundrechtsschutz und demokratischen Kontrollmechanismen
Diese internationale Perspektive half dabei, die Vor- und Nachteile verschiedener Regulierungsansätze zu bewerten und den schweizerischen Mittelweg zu definieren.
Intelligenz KI und ihre Anwendung in der Schweiz
Künstliche Intelligenz (KI) ist längst zu einem integralen Bestandteil der digitalen Transformation in der Schweiz geworden. Die Anwendungsmöglichkeiten von Intelligenz KI sind breit gefächert und reichen von der Optimierung der Gesundheitsversorgung über intelligente Verkehrssysteme bis hin zu innovativen Lösungen in der Finanzbranche und Industrie. In zahlreichen Bereichen entfaltet KI ihr Potential, Prozesse effizienter zu gestalten, neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen und die Lebensqualität der Bevölkerung zu verbessern.
Die Schweiz fördert gezielt die Entwicklung und Anwendung von künstlicher Intelligenz durch verschiedene Initiativen, Forschungsprojekte und Kooperationen zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlicher Hand. Gleichzeitig steht die Regulierung von KI vor der Herausforderung, Innovationen zu ermöglichen und gleichzeitig Risiken wie Diskriminierung, Datenschutzverletzungen oder ethische Konflikte zu adressieren.
Mit der Entscheidung des Bundesrats, die KI-Konvention des Europarats zu ratifizieren, setzt die Schweiz auf einen einheitlichen und international anschlussfähigen Regulierungsrahmen. Die zentralen Ziele der Regulierung von KI sind die Stärkung des Innovationsstandorts Schweiz, der Schutz der Grundrechte inklusive der Wirtschaftsfreiheit sowie der Aufbau von Vertrauen in der Bevölkerung gegenüber KI-Anwendungen. Durch die konsequente Förderung von KI und die Schaffung klarer regulatorischer Leitplanken kann die Schweiz ihre Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich sichern und gleichzeitig den verantwortungsvollen Umgang mit den Chancen und Herausforderungen der künstlichen Intelligenz gewährleisten.
Umsetzungszeitplan bis 2026
Das EJPD, UVEK und das EDA haben vom Bundesrat den klaren Auftrag erhalten, bis Ende 2026 eine konkrete Vernehmlassungsvorlage zur Umsetzung der KI-Konvention zu erarbeiten. Dieser straffe Zeitplan unterstreicht die Dringlichkeit des Themas.
Die geplanten gesetzlichen Massnahmen konzentrieren sich auf vier Kernbereiche:
Bereich | Massnahmen | Zeitrahmen |
---|---|---|
Transparenz | Offenlegungspflichten für KI-Systeme | 2025–2026 |
Datenschutz | Anpassung bestehender Bestimmungen | 2025–2026 |
Nichtdiskriminierung | Neue Schutzvorschriften | 2026 |
Aufsicht | Zuständigkeiten und Kontrollmechanismen | 2026 |
Parallel dazu wird ein umfassender Umsetzungsplan für unverbindliche Massnahmen entwickelt. Dieser soll Anspruchsgruppen aus Wirtschaft, Gesellschaft und Forschung aktiv einbeziehen und eine enge Abstimmung mit internationalen Handelspartnern gewährleisten.
Herausforderungen mit dem EU-Markt
Eine der grössten Herausforderungen ergibt sich aus der engen wirtschaftlichen Verflechtung mit dem EU-Markt. Besonders kritisch: 12 von 20 Produktsektoren, die unter das Mutual Recognition Agreement (MRA) zwischen der Schweiz und der EU fallen, sind vom EU AI Act betroffen.
Diese Situation birgt erhebliche Risiken:
Technische Handelshemmnisse können entstehen, wenn Schweizer Standards nicht mit EU-Anforderungen kompatibel sind. Schweizer Unternehmen müssten dann möglicherweise separate Produktversionen für den EU-Markt entwickeln.
Marktzugangsbeschränkungen drohen, falls die Schweiz in zentralen Bereichen hinter EU-Standards zurückbleibt. Dies könnte die Wettbewerbsfähigkeit Schweizer KI-Unternehmen erheblich beeinträchtigen.
Eine Erweiterung des MRA auf den KI-Bereich wäre frühestens 2028 im Rahmen vertiefter bilateraler Beziehungen möglich. Bis dahin müssen pragmatische Lösungen gefunden werden, um die wirtschaftliche Kompatibilität mit internationalen Handelsstandards sicherzustellen.
Kritik an der Schweizer Lösung
Der gewählte Regulierungsansatz stösst nicht überall auf Zustimmung. Die Bundesverwaltung selbst kritisiert das Fehlen umfassender Rechtssicherheit, da viele Anpassungen nur sektorspezifische Einzellösungen darstellen.
Hauptkritikpunkte im Überblick:
Regulatorische Isolation: Das Risiko, vom EU-Markt abgehängt zu werden, wenn der minimale Regulierungsansatz zu Inkompatibilitäten führt
Unzureichender Alltagsschutz: Der bestehende Artikel 21 DSG reicht nicht aus, um die vielfältigen Risiken von KI-Systemen umfassend abzudecken
Fehlende Nachhaltigkeit: Verbindliche Vorgaben zur ethisch und ökologisch verträglichen Entwicklung von KI-Lösungen fehlen weitgehend
Open-Source-Vernachlässigung: Die Förderung offener KI-Modelle findet im aktuellen Konzept zu wenig Berücksichtigung
Diese Kritikpunkte verdeutlichen die Herausforderung, zwischen Innovationsförderung und umfassendem Schutz eine ausgewogene Balance zu finden.
Ausblick und politische Implikationen
Die Schweiz positioniert sich bewusst zwischen dem US-amerikanischen und dem europäischen Regulierungsansatz. Diese pragmatische Lösung soll Rechtssicherheit und technologische Offenheit in Einklang bringen, ohne die Innovationskraft des Landes zu beeinträchtigen.
Zentrale Herausforderungen:
Balance zwischen Innovation und Bürgerschutz
Wahrung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit
Erhaltung der regulatorischen Souveränität
Die Bedeutung für die Schweiz als Wirtschafts- und Innovationsstandort ist erheblich. Der Erfolg des gewählten Ansatzes wird massgeblich davon abhängen, ob es gelingt, internationale Kompatibilität mit nationaler Eigenständigkeit zu verbinden.
Erfolgsfaktoren bis 2026:
Enge Einbindung aller Anspruchsgruppen
Kontinuierliche Abstimmung mit EU-Entwicklungen
Flexible Anpassung an technologische Fortschritte
Aufbau wirksamer Aufsichtsstrukturen
Die kommenden Monate werden zeigen, ob der schweizerische Mittelweg bei der KI-Regulierung die erhofften Erfolge bringt oder ob Anpassungen am Kurs notwendig werden. Klar ist: Die Entwicklungen in diesem Bereich müssen kontinuierlich verfolgt und bewertet werden, um rechtzeitig auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren zu können.
Der Schweizer Ansatz könnte international Vorbildcharakter entwickeln – vorausgesetzt, er bewährt sich in der Praxis und führt nicht zu einer regulatorischen Isolation. Die nächsten Jahre werden entscheidend dafür sein, ob die Balance zwischen Innovation und Regulierung erfolgreich gelingt.